Geboren in der Weimarer Zeit

Am 10. April 1925, in der Weimarer Zeit, wurde unsere Mutter Hannelore in Gotha als zweite Tochter unserer Großeltern geboren. Sie und ihre Schwester Ursula sind sehr behütet aufgewachsen. Stellte sie sich damals ihre Zukunft vor, dann wollte sie ganz genauso leben wie es die Eltern taten. Ein ruhiges Leben eines Beamten. Sie wollte immer in der Nähe der Mutter bleiben, denn lebenslang brauchte sie Sicherheit und hatte Angst vor Entscheidungen, die evtl. eine Veränderung herbeiführen könnten. Sie gab sich Mühe alles im Blick zu behalten, glaubte fest, mit Fleiß, Umsicht und sanfter Kontrolle des Schicksals, nicht von diesem überrascht zu werden. Diese Eigenschaft war oft Anlass für Anekdoten, besonders als wir Kinder versuchten unsere eigenen Wege zu gehen. Sie erlebte wie ihre ganze Generation Krieg, Aufbau und auch Flucht und Wiederaufbau. Sie führte den Haushalt und zog uns zwei Kinder groß und arbeitet (auch noch mit 80) von Frühjahr bis Herbst fast jeden Tag im steilen Garten. Nebenbei fand sie Zeit in der Fabrik zu helfen und schaffte es mit unserem Vater innerhalb von 6 Jahren nach der Flucht ein Haus zu bauen. Das Haus war der Stolz unseres Vaters, und als sie ihn viel zu früh hatte gehen lassen und 26 Jahre ohne ihn leben müssen, tat sie alles um sein Andenken zu wahren. Sie und unser Vater hatten einen großen Freundeskreis, denn unsere Mutter war ein geselliger Mensch. Diese Freunde waren auch da und trösteten als wir unseren Vater verloren. Wir Kinder, die ganze Familie, waren dankbar, als sie wieder zurück ins Leben fand. Vor sechs Jahren – zwei Monate nach einem Familienurlaub an der Ostsee, wo sie ein letztes Mal das Meer sehen und baden sollte, erlitt sie einen Schlaganfall und hat sich davon nie mehr erholt, zu groß waren all die Veränderungen, die sich auf ihr Leben, ihren Körper, legten.
Am Freitagmorgen des 7. Oktober 2011 schloss auch sie für immer die Augen und nun glauben wir: Sie ist jetzt gut aufgehoben.

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